Buchreihe mit Autorin: Andrea Schomburg und Illustrationen von Annabelle von Sperber
Das karierte Hutgespenst
Eine phantasievolle Geschichte voller Übermut und Wortwitz – zum Vorlesen ab 5 Jahren und zum Selberlesen ab 6
“Mit Menschen kann man nicht befreundet sein”, sagen die Gespenster. “Gespenster gibt es nicht”, sagen die Erwachsenen. Aber es gibt zwei, die es besser wissen und sich darüber kringelig lachen: Das karierte Hutgespenst und die siebenjährige Anna. Sie spielen Verstecken, verraten sich ihre Geheimnisse und hecken Streiche aus. Und Anna hilft dem karierten Hutgespenst, die Angst vorm Dunkeln zu verlieren.
Verlag: FISCHER Sauerländer (kinderbuch-couch.de)
Ersterscheinung: 24. September 2015
ISBN: 978-3-73735-195-9
Inhalt: 96 Seiten, gebundenes Buch
Format: 14.4 x 1.2 x 22.1 cm
Buchseiten durchgehend farbig und reich bebildert
Mein Ziel als Illustratorin für junge Leser ist es, die Seiten mehr wie Bilder wirken zu lassen und trotz der vielen Buchstaben locker und flockig zu gestalten. Das schaffe ich, indem ich die Seiten mit verschiedenen malerischen Hintergründen und angedeuteten Schattierungen hinterlege. So wirkt das Buch durchgehend farbig und reich bebildert, obwohl es nur alle paar Seiten eine ausgearbeitete Illustration gibt. Für Verlag und LeserInnen eine gute Lösung.
Seitenauszüge vom Buch: Das karierte Hutgespenst
„Menschen gibt es nicht, sagen die Gespenster. Gespenster gibt es nicht, sagen die Menschen. Aber es gibt zwei, die es besser wissen und sich darüber kringelig lachen: das Menschenmädchen Anna und Hugo, das karierte Hutgespenst, die beide allerbeste Freunde sind.
Es gibt Bücher, bei denen man gar nicht merkt, dass man liest, bis man am Ende des ersten Kapitels angekommen ist. Weil sie wohl alle “Leser-in-die-Geschichte-locken-Tricks” anwenden wie Spannung, kleine Rätsel, Humor und ein bisschen Knalleffekte gleich am Anfang, aber so dezent und gekonnt, dass diese nur wirken – und nicht auffallen. So wie dieses hier. Ohne es groß zu merken, hat der Leser Anna kennengelernt, 7 Jahre, mehr Indianermädchen als Prinzessin, mit einer Narbe auf der Stirn von einem Unfall beim Toben; kulleräugig und mit dunklen Locken sieht sie ein bisschen wie Momo aus.
Anna wird eines Nachts wach, weil etwas – jemand – unter ihrem Bett hockt und weint. Als sie mit einer Taschenlampe hin leuchtet, entdeckt sie ein kleines kariertes Gespenst: Hugo. Hugo muss nachts spuken, wie alle Gespenster, aber er hat solche Angst im Dunkeln, dass es ihm auf der Gespensterburg zu gruselig war und er es bei Anna in der Wohnsiedlung versuchen wollte. Aber schon im Garten hat ihn das nackte Grauen gepackt: eine Hexe, die Hackfleisch aus ihm machen will, ein Riese und ein gepanzertes Irgendwas-Ungeheuer. Anna ist überrascht, hat sie die doch von denen in ihrem Garten noch nie jemand gesehen.
Und tough und pragmatisch wie sie ist, geht sie mit Hugo und der Taschenlampe nachsehen: und siehe da, was wie die Hexe aussah, ist nur der Kletterbaum und das Ungeheuer ein dicker Busch an der Terrasse. Anna und Hugo unterhalten sich noch ein bisschen und am Ende der Nacht schenkt sie ihm die Taschenlampe, damit er sich beim Spuken ein bisschen Licht machen kann und nicht mehr solche Angst haben muss. Ab da treffen sich die beiden regelmäßig und haben viel Spaß zusammen.
Das Buch ist durchgängig bunt; alle Seiten sind in wechselnden Farben unterlegt, Schattierungen deuten Szenen, Figuren oder zumindest einen Hintergrund an. Alle paar Seiten gibt es dann eine richtige Illustration, mal kleine Szenen der Geschichte, mal Großaufnahmen von Anna oder besonders oft Hugo. Der ein bisschen aussieht, als wäre er um ein paar Ecken mit dem Kleinen Gespenst von Ottfried Preußler verwandt: immer sehr freundlich, mit Schlapphut und sehr ausdrucksstarker Mimik. Die Schrift ist eher groß, etwas verspielt, aber gut lesbar; die Überschriften sind verschnörkelt und immer mal wieder sind Gedichte und andere kleine Texte abgesetzt in den Textfluss eingeschoben.
So wirkt jede Seite mehr wie ein Bild und trotz der recht vielen Buchstaben locker und flockig. Und macht Lust aufs Lesen: Leseanfängern, die über die Buchstabierphase hinaus sind, genau wie schon fortgeschrittenen Leser. Auch Vorlesen macht noch großen Spaß und weil die Kapitel relativ kurz sind, kann man auch gelassen die Bitte des Kindes erwarten, doch heute ausnahmsweise zwei Kapitel vorzulesen.
Der Text selber liest sich, wie schon gesagt, wunderbar flüssig und unterhaltsam; mal scheint es, als würde Anna erzählen, mal eher ein übergeordneter Erzähler und weite Strecken bestreiten Anna und Hugo mit Dialogen, die Humor und Tiefgang haben:
“Die großen Gespenster, die reden immer nur von Waschmitteln, mit denen sie ihre Gespensterhemden wieder weiß kriegen” beschwert sich an einer Stelle Hugo zum Beispiel. Oder: “Weißt du, was die großen Gespenster sagen? Sie sagen mit einem Menschen kann man nicht befreundet sein, weil es nämlich Menschen gar nicht gibt, die sind schon seit Jahrhunderten ausgestorben. Weil sie nämlich die ganze Zeit auf ihrer Burgruine hocken und nur um Mitternacht raus kommen, und deshalb haben sie seit Jahren keinen Menschen mehr gesehen und da glauben sie halt nicht an Menschen.”
Sehr lustig ist der Tick von Hugo, Wörter zu verdrehen: aus Hackfleisch wird Knackfleisch, aus Taschenlampe Flaschenpampe. Oder Lumpenflasche oder Maschenwampe, er erzählt von Blattmäusen und Gänsekrümchen.
Und als Anna Besuch von ihrem Kotz-Cousin Urs bekommt, passieren allerlei Dinge, die sogar das Schiss-Gespenst seine Angst vergessen und wieder mutig werden lassen. Die Taschenlampe behält Hugo trotzdem und Freunde bleiben Anna und er auch. Vielleicht bis zum nächsten Band?
Fazit:
Die Geschichte um Anna, das Schiss-Gespenst Hugo und dessen Wortverdrehtick ist für Erstleser, die über die Buchstabierphase hinaus sind, gut zu schaffen und für Fortgeschrittene locker zwischendurch zu lesen, auch Vorlesen macht noch großen Spaß. Es ist bunt gestaltet, mit lustigen Zeichnungen illustriert und alles in allem abwechslungsreich, spannend und mit Humor und Tiefsinn. Super.“
Sigrid Tinz, März 2016