Annabelle von Sperber

Fotograf: Emanuel Herm

Illustratorin aus Leidenschaft

Ich bin mit Leib und Seele Illustratorin. Und auch nach über zwanzig Jahren bei jedem neuen Auftrag frisch aufgeregt. Ich glaube, das ist gut so. Denn wie bei Schauspielern gilt – ohne Lampenfieber lässt die Konzentration nach. So suche ich in jedem Projekt meine persönliche Herausforderung. Sei es eine neue Farb- und Formensprache zu finden, einen besonders glaubwürdigen Charakter zu entwickeln, genau die Stimmung oder den Zeitgeist des Buches zu treffen, oder eine Metaebene zu erschaffen.

Allein im Bilderbuchsegment kann die Anforderung so unterschiedlich sein. Das Buch „Die Wolke unterm Dach vom Regisseur Chris Silber zum Beispiel hat mich sehr herausgefordert, Bilder für Kinder zum Thema Trauer und Tod zu schaffen, die eine malerische, optimistische Ernsthaftigkeit haben und damit Trost und Hoffnung spenden. In dem Bilderbuch „Der Riese und das Feenkind“ habe ich den märchenhaften Text mit einem Augenzwinkern auf der Bildebene ins Hier und Jetzt befördert und damit eine komplette Parallelwelt geschaffen. Beim Band „Freundinnen“ Insel Bücherei/Suhrkamp hatte ich es mit Größen wie Isabel Allende, Elke Heidenreich und Hannah Ahrendt zu tun und habe dort stark mit Farb- und Formensprache gearbeitet.

Illustration ist so viel mehr als das Abbilden eines Textes. Ganz im Gegenteil. Gute Illustration bedeutet für mich der Mehrwert zum Gelesenen. Illustration als Erweiterung. Es ist meine Leidenschaft, den Text zu interpretieren und mit eigenen Bildideen anzureichern. Gerade Nebenschauplätze sind bei Groß und Klein beliebt. Metaphorische Bilder und auch Farbstimmungen tragen die Geschichte und unterstreichen die Höhepunkte. Meine besondere Spezialität besteht darin Farbkonzepte zu entwickeln. Bei manchen Buch Projekten entwickle ich für jede Doppelseite ein neues Farbkonzept, zum Beispiel bei „Die besten Weltuntergänge“. In der Regel bleibe ich aber bei einem gewählten Farbkonzept pro Buch. Dies hat den Effekt, dass alle Bilder wie in einer Seriengestaltung zusammen als Einheit betrachtet werden. Ich freue mich auf das nächste Projekt!

 

Auszug aus einem Interview mit dem Eselsohr

  1. Wie kam es zu deinem Berufswunsch Illustratorin – und wie bist du es geworden?

Das Zeichnen hat mir immer einen eigenen Raum geöffnet. Schon in der Schule amüsierten sich meine Mitschüler darüber, dass ich in meiner tiefen Versunkenheit gar nicht mehr ansprechbar war. Noch heute empfinde ich es als Privileg, mich mit einem Text in meine Bilderwelt zurückzuziehen, in einer Parallelwelt zu verschwinden dabei Musik zu hören und ganz introvertiert zu sein. Als Dozentin kann ich meine extrovertierte Seite ausleben, bin im Austausch mit den Studenten und kann meine Erfahrung weitergeben. Dies Beides zu haben ist für mich einfach wunderbar.

  1. Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?

Nach 20ig Jahren Berlin lebe ich nun mitten im Schwarzwald, mit Blick auf die Vogesen.

  1. Wann kommen dir die besten Ideen?

Ich halte es wie Christoph Niemann. Den Tee gekocht, den Bleistift angespitzt, das Papier bereit und dann auf die Muse warten. Meistens kommt sie zwischen neun und 18 Uhr.

  1. Wie sollen die HeldInnen deiner Kinderbücher vor allem sein?

Selbstbewusst, klug, stark und verletzlich.

  1. Wie hieß das erste Kinderbuch, das von dir erschien?

Das erste Kinderbuch war von Agnes Desarthe, im Dressler Verlag und hieß „Von kleinen Geheimnissen und großen Füßen“.

  1. Wie arbeitest Du?

Zu Beginn eines neuen Projektes beginne ich immer mit einer Recherche. Ich sammle Fotos, Bilder und Farben und baue daraus ein Moodboard. Dieses schicke ich dann gerne dem Verlag oder Auftraggeber. Eine gerngesehene und wunderbare Gesprächsgrundlage zur genaueren Absprache des weiteren Prozedere. Generell könnten wir die Arbeit einer Illustratorin mit der einer Regisseurin vergleichen. Wie im Film geht es darum Protagonisten zu kreieren, Charaktere aufzuladen, ihre Vorlieben, Sehnsüchte, Ängste und Hoffnungen zu (er)kennen. Um damit ihre Charaktereigenschaften in Mimik und Gestik herauszukitzeln. Danach geht es auf die große „Bühne“. In welcher Welt spielt die Geschichte, in welcher Zeit? Worauf muss ich achten? Als nächstes überlege ich mir ein darauf aufbauendes Farbkonzept. Erst nach dieser Klärung gehe ich an die einzelnen Bilder, die Komposition. Wer steht im Mittelpunkt? Aus welchem Blickwinkel schauen wir auf die Szene und wie wird sie beleuchtet? Ein Storyboard mit Höhepunkt und eventuellem Doppelende ist dann der nächste Schritt im Bilderbuch. Aber auch bei Einzelillustrationen innerhalb eines Buches versuche ich eine Dramaturgie zu entwickeln.